Habt ihr euch schon einmal gefragt, GEGEN was ihr alles seid? Richtig – gegen eine ganze Menge! Ich habe in letzter Zeit viel darüber nachgedacht, wofür ich eigentlich bin und irgendwie ist diese Herangehensweise logischer.
Antifaschistisch, antikapitalistisch, antisexistisch, antideutsch, antirassistisch, anti…usw. – die Liste könnte noch ewig weitergeführt werden. Irgendwann habe ich mich in den letzten Monaten, fast schon Jahren, immer mehr gefragt, für was ich denn eigentlich bin. Eine bessere Welt, eine andere Welt, logisch, doch was beinhaltet diese und wie kommen wir da hin? Sicherlich nicht, indem wir ständig unsere Energie darauf verschwenden, GEGEN etwas zu sein. Stellt euch mal vor, wir sind FÜR etwas, dann schlagen wir (umgangssprachlich) zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn indem ich FÜR etwas bin, bin ich automatisch GEGEN all das, was in dem FÜR keinen Platz hat. Einfaches Beispiel: Indem ich mich FÜR die Gleichbehandlung der Menschen einsetze und mir dies wünsche, muss ich nicht explizit noch einmal betonen das ich GEGEN Rassismus und Sexismus bin, das habe ich mit meinem FÜR ja schon ausgedrückt. Wichtig ist nur, dass es nicht einfach ein Lippenbekenntnis ist und bleibt. Ich versuche, mich von diesen Anti-Denkweisen zu lösen, denn es schwingt dabei immer etwas Negatives mit, dies lässt sich einfach nicht vermeiden. Ist es denn so schwer, PRO zu sein? Ich tue mich schwer mit der Beantwortung dieser Frage, allerdings seitdem ich etwas gefunden habe, was für mich schlüssig erscheint, fühle ich mich besser und vor allem ergibt alles einen Zusammenhang. Ich bin FÜR einen gelebten Anarchismus und ich muss sagen, wenn ich es genau nehme, finde ich in dieser Utopie alles wieder, allerdings positiv ausgedrückt. Es geht um Hierarchiefreiheit, nicht zu vereinbaren mit Faschismus, es geht um die Gleichwertigkeit der Menschen, nicht zu vereinbaren mit Rassismus und Sexismus, selbst für die Wirtschaft kann Anarchismus eine Lösung geben, denn er ist unvereinbar mit kapitalistischen Wertevorstellungen (gilt im Übrigen auch für kommunistische Wertevorstellungen die Wirtschaft betreffend, wobei diese wahrscheinlich noch näher dran wären)! Ich denke, wenn sich unsere Gesellschaft weiterentwickelt, kommen wir automatisch an einen Punkt, wo auch nach neuen Wegen der Wirtschaftsform gesucht wird und wenn wir es mal genau nehmen, kann es nur einen Weg geben – nämlich den nach vorn. Ich bzw. wir werden wahrscheinlich nix mehr davon haben, aber wir können unseren Teil dazu beitragen. Wenn wir es schaffen, kleine basisdemokratische Gruppen zu etablieren, wenn wir unsere Hausprojekte untereinander vernetzen und und und können wir uns abkapseln und versuchen, neue Wege zu gehen. Klappt ja teilweise auch schon und das mit der Wirtschaft ergibt sich dann auch irgendwann, wenn die unterschiedlichen Menschen, mit unterschiedlichen Qualitäten sich untereinander helfen. In meinem Kopf entstehen dazu viele Ideen und Gedanken und ich hoffe, irgendwann finde ich die Zeit, diese alle mal zu Papier zu bringen!
Ich bin Mitglied des Stadtrates (parteilos) einer sächsischen Kleinstadt (30000 EinwohnerInnen) und seitdem ich mir sicher bin, wofür ich bin, fällt es mir wesentlich leichter, Argumente zu finden und Menschen in diesem Gremium von Ideen zu überzeugen, denn immer nur davon reden, wie schlecht und falsch etwas ist, ist noch keine Lösung. Mir zeigt dies im Übrigen dass, zwar mit einem langem Atem, es möglich wäre, eine Kommune von einer Parlamentarischen Demokratie hin zu einer Basisdemokratie und schlussendlich zu einer Anarchie zu entwickeln, theoretisch sehe ich das als möglich. Wobei der Anarchismus nicht unbedingt eine „Regierungsform“ ausdrücken muss, sondern einfach nur den Aufbau der Gesellschaft beschreibt bzw. beschreiben kann. Kommunalpolitik ist auch so die Dimension in der noch gearbeitet werden kann, alle übergeordneten künstlich konstruierten Räte, Regierungen, Parlamente, etc. sind nicht mehr wirklich dienlich, denn sie sind viel zu weit weg von den Menschen und wenn es uns gelingt in den Kommunen basisdemokratischer zu arbeiten, sind die Menschen zufriedener und können sich mit ihren Problemen besser gegenseitig helfen. Es kann sich daraus Freiheit für den/die EinzelneN entwickeln und genau diese Freiheit wird zu einem langsamen Wandel in der Gesellschaft führen.
Klar ist es wichtig, sich Nazis in den Weg zu stellen, es ist auch wichtig, Mc Donalds zu boykottieren, aber das ist nicht der Kern und gerade die Thematik. Das Engagement gegen Nazis hat mir dieses sich-im-Kreis-drehen verdeutlicht. Es wird immer Menschen geben, die es cool finden, Nazi zu sein, solange es Menschen gibt, die es nicht cool finden Nazi zu sein, sondern es cool finden, Antifa zu sein – das ist ein sinnloses Katz-und-Maus-Spiel (Dies hat im Übrigen nix mit einer Gleichsetzung im Sinne der Extremismusklausel zu tun, bitte nicht falsch verstehen!). Ich habe eine abgrundtiefe Verachtung und einen Hass gegen Nazis und KapitalistInnen und ich habe in den letzten Jahren gemerkt, wie mich dies erdrückt und genau dieses drückende Gefühl in mir, diese Belastung war schlussendlich ausschlaggebend für mein Denken und mein Handeln. Auf einer Demo „GEGEN NAZIS“ würde ich mittlerweile durchdrehen, ich könnte die Beherrschung nicht mehr behalten (Ich habe mich einmal dabei erlebt und war sehr erschrocken, denn so bin ich nicht bzw. will ich nicht sein.), egal ob die Polizei oder die Nazis, ich würde etwas finden, um über diesen Irrsinn bzw. geistigen Dünnschiss Dampf ablassen zu können (Entschuldigt, aber selbst beim Schreiben kann ich mich bei diesem Thema nicht kontrollieren!). Und genau das will ich nicht, denn bloß weil ein Mensch in einem anderen sozialen Umfeld aufgewachsen ist als ich und zur richtigen Zeit die falschen Einstellungen und Ideologien präsent waren, hat er es nicht verdient, entwertet zu werden. Dies ist auch ein spannender Knackpunkt, denn dadurch, dass ich mich FÜR etwas einsetze, haben die Menschen, die sich damit nicht identifizieren können das Problem, dass sie GEGEN meine Einstellung sein müssen. Somit sind sie in der passiven und negativen Position und ich möchte behaupten, FÜR etwas zu sein, lässt sich immer besser „verkaufen“ als GEGEN etwas! Ihr könnt mich gern für diese Aussage kritisieren und mit mir auch darüber diskutieren, ich freue mich darüber, jedoch habe ich einfach gemerkt, dass ich nach über zehn Jahren Hass und GEGEN etwas zu sein, etwas ändern muss, mich ändern muss, denn es hat sich in diesen Jahren nix geändert – nur eins hat sich geändert: mein Herz ist schwerer geworden und meine Frustration immer größer. Mein Herz ist immer noch schwer, aber meine Frustration ist Träumen gewichen und auch der Realität, zu wissen ich werde das Ergebniss meiner Träumerei vielleicht nicht erleben, aber dafür die Gewissheit, ich habe meinen Teil dazu beigetragen und damit lässt es sich irgendwie echt besser leben. Wie heißt es so schön: „Her mit dem schönen Leben“!
Wenn ihr mit mir über den Artikel und das Geschriebene sprechen oder darüber diskutieren wollt, dann meldet euch unter ! Nur im Gespräch oder in der Diskussion ergeben sich neue, andere Denkweisen und es besteht die Möglichkeit, Formuliertes zu überdenken und zu überarbeiten! Ich freue mich sehr über Kritik und Gespräche! Euer Pudding
Dieser Text erscheint im Proud to be Punk #17, schaut einfach unter Fanzines nach!