In den vergangenen Wochen gibt es enormen Wirbel um das AJZ Leisnig. Ein “Junge Generation” hat die Räumlichkeiten wieder mit Leben erfüllt und versucht nach Basisdemokratischen Grundsätzen das Gebäude fortbestehen zu lassen. Im vergangenen Jahr fanden mit einer relativen Regelmäßigkeit Veranstaltungen statt, neben Konzerten und Vorträgen gab es auch ein Hoffest und ein Kinderfest. Das AJZ Leisnig machte sich mit dem Sucks n Summer Festival und vielen grandiosen HC Konzerten in den 00er Jahren einen Guten Namen.
Vielerorts klappt der Übergang von Generation zu Generation nicht und häufig “sterben” Jugendkulturelle selbstverwaltete Projekte im ländlichen Raum wenn eine Generation einfach nicht mehr die Jugend verkörpert. In Leisnig hatte ich die letzten beiden Jahre das Gefühl es hätte geklappt und der ländliche Raum behält einen wichtigen Standort selbstverwalteter Jugendarbeit. Die Jugendlichen in Leisnig versuchen ihre Eigenständigkeit und ihre Selbstständigkeit im Chaos der Überflussgesellschaft zu finden und konnten sich selbst definieren.
Seit November 2013 schlägt die Stadt quer und es erscheinen skurile Artikel in der Zeitung und auch durch persönliche Gespräche erfährt mensch nichts “Gutes”. In einem offenen Brief an die Stadt schilderten die Jugendlichen ihre Sorgen um einer Dekonstruktion der selbstverwalteten Struktur zu entgehen und um ihren “Freiraum” zu erhalten. Den Offenen Brief der Jugendlichen könnt ihr hier einsehen. Auf Grundlage dieses Offenen Briefes sah ich mich gezwungen als ebenfalls in der Jugendarbeit agierender Sozialarbeiter einen Offenen Brief zu verfassen, welcher der Stadtverwaltung Leisnigs via Post zugestellt wird.
Der Brief lautet wie folgt und steht euch hier zum Download zur Verfügung.
Grimma, den 28. Januar 2014
Offener Brief zu den Vorkommnissen rund um das AJZ Leisnig
Die Stadt Leisnig verfügt seit vielen Jahren über ein repräsentatives Beispiel selbstverwalteter und eigenständiger Jugendarbeit im ländlichen Raum.
Der repräsentative Charakter kann unter anderem an der Selbstverwaltung sowie an der Einhaltung der Sozialpädagogischen Ethik fest gemacht werden. Die Sozialpädagogische Ethik basiert auf den Internationalen Menschenrechten und verfolgt eine humanistische Grundausrichtung. Im Rahmen der sogenannten „offenen“ Jugendarbeit soll dies durch die Bereitstellung von Angeboten Jugendlichen vermittelt werden. Ein weiteres Ziel der „offenen“ Jugendarbeit ist die Orientierung der Arbeit anhand der Lebenswelt, um die Jugendlichen in ihrem Selbstbild und somit in ihrer Selbstständigkeit zu stärken. In vielen Jugendhäusern die mit einer Pädagogischen Fachkraft ausgestattet sind werden die Ziele, welche im AJZ Leisnig bereits Realität sind, angestrebt. Eine pädagogische Fachkraft hätte im Grunde die Aufgabe, orientiert am §11 SGB VIII die Eigenständigkeit und Selbstständigkeit der Jugendlichen soweit zu fördern, dass eine Selbstverwaltung im Sinne der Eigenständigkeit möglich ist. Da diese Eigenständigkeit bereits vorhanden ist, muss die Frage nach dem „Warum“ sehr deutlich gestellt werden und deshalb möchte ich den Brief der Jugendlichen des AJZ´s Leisnig unterstützen und aus fachlicher Perspektive um ein Statement der Stadt Leisnig bitten. Aus aktueller Perspektive bedeutet das Vorhaben der Stadt Leisnig einen Rückschritt und ein entgegengesetztes Handeln gegenüber dem SGB VIII.
Eine Trägerschaft durch, z.B., den Regenbogenbus e.V. wäre damit die zu favorisierende Möglichkeit, da dieser Träger die Eigenständigkeit der Jugendlichen im AJZ Leisnig erhalten würde. Sein Konzept ist auf eine Betreuung und eine Mobile Arbeit ausgerichtet. Die Unterstützung basiert auf einer fachlichen Beratung bei Projekten oder Veranstaltungen und soll die Einhaltung der Sozialpädagogischen Ethik sichern, damit diverse Fachstandards als Grundlage der Arbeit angewandt werden können.
Die Stadt Leisnig sollte sich fachlich positionieren, wenn sie das Alternative Jugendzentrum in Leisnig nicht in der bisherigen Form weiter betreiben möchte. Im Zuge einer Neuvergabe der Trägerschaft wäre die Prüfung der Konzepte und eine gemeinsame Diskussion zwischen Jugendlichen und Jugendamt wünschenswert. Die bisherigen Zeitungsartikel und Informationen welche aus Gesprächen gewonnen werden konnten, lassen keinerlei professionelle Betrachtung der Situation von außen zu. Diese ist aber gerade im Bereich der Jugendarbeit sehr wichtig. Denn Basisdemokratische Strukturen die ein Jugendzentrum selbstständig verwalten können gibt es im ländlichen Raum sehr wenig und deshalb sehe ich es als Notwendigkeit an, mich als Sozialarbeiter und Basisdemokrat innerhalb der offenen Jugendarbeit auch Sozialraumübergreifend zu diesem Thema zu positionieren um der bereits angesprochenen Ethik zu entsprechen.
Richtig ist jedoch von der Stadt Leisnig die Verkehrssicherheit des Gebäudes zu prüfen und die Genehmigungsfähigkeit für öffentliche Veranstaltungen gemeinsam mit dem Landratsamt zu kontrollieren. Die Stadt Leisnig ist Eigentümer_in des Gebäudes und hat demnach für die Erfüllung dieser Vorgaben, gerade gegenüber dem Landratsamt, Sorge zu tragen. Im Sinne eines Verantwortungsvollen Umgangs mit den Jugendlichen „seiner“ Stadt wäre es jedoch ratsam gewesen dies gemeinsam mit den Jugendlichen zu besprechen und ggf. mit ihnen gemeinsam Möglichkeiten zu finden wie Hygienebestimmungen des Landratsamtes erfüllt werden können. Das Vorgehen, dies ohne die Jugendlichen und vor allem ohne konkrete Zielstellung zu tun, ist aus Sicht eines Sozialarbeiters sehr fraglich. Die Jugendlichen definieren das durch die Stadt bereitgestellte Gebäude als “Ihren” Raum und sind deshalb gewillt dies zu erhalten, im Sinne einer partizipativen und Lebensweltorientierten Jugendarbeit besteht so immer auch die Möglichkeit im Sinne der Kostenreduzierung für die Stadt, die Jugendlichen in Baumaßnahmen mit einzubeziehen.
Tobias Burdukat
Stadtrat (parteilos) Große Kreisstadt Grimma
Bachelor of Arts für Soziale Arbeit (verantwortlich für das KJH „Come In“ Grimma)
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