Ich hatte ja nun schon meinen ersten Vortrag zur Alpenüberquerung und Kampage #hikefor im Sommer und da gibt es diesen einen Satz von Paul vom Roten Stern Leipzig der mich seit diesem Abend nicht mehr los lässt: “…der Individualsport und die Extreme sowie das Business drum herum nehmen immer krassere Formen an!”

Wenn man nun also, wie eben ich, mittlerweile hauptsächlich einem eher individualisiertem Sport wie dem Bergwandern, dem Klettern und dem damit verbundenem individuellen Training nachgeht, bringt einen das in Konflikte. Nun war das bei mir nicht immer so, denn viele Jahre bin ich dem Basketball als Teamsport nachgegangen, woran mich lediglich immer mehr der Wettkampfdruck gestört hat. Diesen Druck habe ich beim Individualsport nicht, denn mein einziger Gegner bin ich selbst. Der Satz von Paul beschäftigt mich trotzdem ungemein, weil er ziemlich viel in sich trägt. Zum einen gibt es ein Mega- Business rund um diesen Individualsport und es werden Einzelikonen geschaffen über die in den Sozialen Netzwerken hauptsächlich Werbung und Marketing betrieben wird und viele eifern dem nach. Zum anderen entsteht dadurch eine “höher, schneller, weiter” Spirale die den Individualismus durch Likes immer weiter voran- und antreibt. Meine Timeline ist voll von Postings zu irgendwelchen absolvierten Challenges, Trainingsprogrammen und den dazugehörigen Markenprodukten, die die Algorithmen passend dazu bauen. Man hängt also in einer Individualsportblase fest, obwohl man doch eigentlich nur für gesellschaftspolitische oder sozialpädagogische Themen im Sinne der Solidarität werben möchte. Die großen Player der Individualsportblase unterstützen auch manchmal Projekte des Naturschutzes und manchmal auch FairWear Projekte, doch werden die Leute dafür sensibilisiert? Sensibilisiere ich für die gesellschaftlichen Probleme wenn ich einfach nur Bilder poste und zusätzlich Leuten noch das Gefühl gebe sie tun etwas gutes wenn sie bei mir kaufen? Ich denke da gerade an den eben wahrgenommenen Unterschied zwischen der Vermarktung und Ausschlachtung der Alpen durch den Individualsport und durch realen, akzeptierten und praktizierten Naturschutz in der Hohen Tatra durch Sperrung der meisten Wege von November bis Juni, den Verzicht auf Seilbahnen zu den Hütten und die damit verbundene Existenz von Sherpas mitten in Europa, welche die Hütten zu Fuß beliefern.

Wie ihr euch nun denken könnt, habe ich das letzte sonnige Oktoberwochenende, nach 6 Wochen Alpen im Sommer, in der Hohen Tatra verbracht. Das kleinste Hochgebirge der Welt glänzt dabei mit einer sehr guten ÖPNV- Anbindung, so dass die Bergsportler*innen nicht riesige Parkplätze benötigen. Sie glänzte mit der Abwesenheit von Seilbahnen und Skigebieten in jedem möglichen Winkel, der sich halbwegs zum Skifahren eignet. Die Berge sind nicht übermäßig mit Klettersteigen und Wegesicherungen versehen, was irgendwie ein natürlicher Schutz gegen Massentourismus ist, die Wegebeschreibung “Trittsicherheit” hat hier eine ganz andere Bedeutung und meint soviel wie “stabiles Klettern bis zum 2. Schwierigkeitsgrad ohne notwendige Sicherung”. Die meisten Gipfel kann man eh nur kletternd und mit Bergführer*in besteigen und ein Großteil der Wege im nur 27km langen Hauptkamm sind außerhalb des Sommer gesperrt. Die Frage, ob ich als Flachlandbergsteiger auf jeden Gipfel muss, hatte ich für mich im Sommer schon mit “nein” beantwortet, in der Hohem Tatra stellt sie sich nicht mal, denn es gibt auf die meisten Gipfel gar keine Wege sondern nur Alpine Routen. Instaseiten wie z.B. Gipfelkreuzstore hätten hier nix zu posten da es keine Gipfelkreuze gibt.

Ich möchte deshalb auch gar keinen übermäßigen Tourenbericht über die Hohe Tatra und mein diesjähriges Abwandern liefern, da ich sonst vielleicht noch einen Beitrag leiste, der dazu führen könnte, dass es sich doch so entwickelt wie in den Alpen. Ich bin froh, dass ich im Gegensatz zur Alpenüberquerung nicht allein war und diese tollen Erinnerungen somit teilen kann. Für mich sind die Sherpas, die bis zu 120kg auf über 2000 Meter schleppen, irgendwie die Verkörperung von menschlicher Solidarität mit der Natur, denn sie helfen dabei, dass die Natur so bleiben kann und nicht überall jede Hütte mit Seilbahn angebunden sein muss. Sicher sind die Alpen eine andere logistische Herausforderung, aber ich denke, gerade die Firmen, die eben mit Individualsport Geld verdienen, könnten sich hier ihrer Verantwortung bewusst werden und dafür sensibilisieren. Ja, es ist schön, sich Bilder von krassen Alpintouren anzuschauen, aber ich muss verstehen können, dass dies teilweise Dinge sind, die ich nicht kann und mir auch nicht erkaufen sollen könnte. Genau so ist es mit den Gipfeln. Wir brauchen nicht überall Klettersteige und Mega- Seilbrücken und eine Seilbahn bis zum Anfang des Klettersteiges. Dieses Bewusstsein muss den Menschen vermittelt werden und da sind wir wieder beim Vergleich zur Gesellschaft. Das Bewusstsein muss den Menschen vermittelt werden, dass die Zukunft unserer Gesellschaft in unser aller Hände liegt. Wir können dies nicht abwälzen auf Politik und NGOs und schon gar nicht auf den Markt. Wir müssen dies selbst machen, wenn wir in einer freien und gleichen Welt leben wollen. Kein Gesetz dieser Welt wird Einfluss auf das Bewusstsein und die Einstellung der Menschen nehmen, also liegt es an uns allen dieses Bewusstsein von Solidarität, Freiheit und Gleichheit zu transportieren und nicht nur von Mensch zu Mensch sondern eben auch gegenüber der Natur. Kurz vor meiner Reise habe ich unter anderem einen Artikel über die Streitigkeiten bei F4F im Rahmen des Streikes in Berlin gelesen und habe mich gefragt: “Warum?” Verfolgt ihr nicht alle das Selbe Ziel und wenn ja, dann gehört eine Antikapitalistische Perspektive dazu, denn im Neoliberalismus regelt der Markt nix mehr. Das konnte sich Adam Smith damals nur noch nicht vorstellen.

Kurzum Individualismus bringt uns nicht ans Ziel, sondern entzweit und entfernt uns voneinander. Dies gilt für den Schutz der Berge ebenso wie für die Rettung unserer Welt und den dringend notwendigen Wandel unserer Gesellschaft.

In diesem Sinne, genießt euren nächsten Ausflug vielleicht mal ohne den ständigen Gedanken an das coole Reel was ihr unbedingt noch machen müsst und übt euch in Solidarität mit der Natur und dann klappt es auch mit der Solidarität unter den Menschen und genau so ist…

…another world is possible!!!

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