Ich wurde gestern Abend Zeuge wie Kommunalpolitik an allen Ecken und Enden dafür sorgt, dass die Menschen vor Ort das Vertrauen in eben diese vollständig verlieren. Der lachende dritte ist in diesem Fall, eine vor Dummheit kaum zu übertreffende, AfD. Aber von vorn:

Der Beitrag enthält Verkürzungen und bewusste Übertreibungen um euch die Dramaturgie und Absurdität dieser Kreistagssitzung näher zu bringen. Ich bin kein Journalist und auch nicht neutral. Der Artikel ist eine subjektive Erzählung und Beschreibung meiner persönlichen Wahrnehmung.

Seit geraumer Zeit gibt es im Landkreis Leipzig eine Debatte um die Muldentalkliniken, mit ihren Standorten in Grimma und Wurzen. Ihr könnt jetzt gern mal eine Karte öffnen um einen besseren Eindruck zu bekommen. Im Landkreis gibt es weiterhin noch in Borna ein Krankenhaus, welches aber nicht in Trägerschaft des Landkreises, wie die Muldentalkliniken, ist. Hier auch gleich mal als Korrektur an die Hohlroller der AfD, bzw. den Kreisrat Sebastian Weber, der in seinen Videostreams von einer privaten Klinik erzählt, bzw. solchen Aussagen nicht widerspricht. Da der Landkreis mit 100% Hauptgesellschafter ist, ist es keine private Klinik sondern ein kommunaler also staatlicher Eigenbetrieb. Das ist was anderes als privat.

2022 eskalierte die Debatte um die Häuser während der Bürger*innenmeister und Landratswahl. Der damalige und jetzige Landrat Henry Graichen (CDU) machte es zu einem Wahlversprechen beide Häuser und insbesondere die Geburtsstationen zu erhalten. Für den Standort Wurzen soll er, bezogen auf diesen Sachverhalt, sogar eine Eidesstattliche Erklärung abgegeben haben. Als sich heraus stellte das durch Umstrukturierung ggf. die Geburtsstationen mit Kinderstation in Wurzen gebündelt wird schaltete sich der Grimmaer OBM ein. Ab da wird es tatsächlich auch unsachlich und nicht mehr vollkommen nachvollziehbar für einen außenstehenden. Die Umstrukturierung sah vor das einige Abteilungen zusammen gelegt werden (wie eben Geburt oder Innere etc.) und auf die jeweiligen Kliniken verteilt werden. Mit dem Grimmaer OBM begann dann jedoch eine Debatte welche die beiden Standorte gegeneinander ausspielte und es begann ein Kampf den ich von außen nur erahnen kann.

Anfang diesen Jahres atmeten die Mitarbeiter*innen auf, denn der scheinbar pro Grimma oder zumindest pro Berger (keiner weiß welche Deals die vielleicht bei einer gemütlichen Treibjagd ausgehandelt haben) und Mitarbeiter*innenfeindlich eingestellte Geschäftsführer der Kliniken wurde vom Aufsichtsrat entlassen (LVZ vom 09.02.2023). Nur knapp 1 Monat später stellte der Aufsichtsrat fest das bei einer Kündigung eine Abfindung fällig wird, also stellte man ihn wieder ein (LVZ vom 07.03.2023). Für Außenstehende, wie mich, könnte man meinen – ok jetzt wird ein Konzept zur Rettung der Kliniken erarbeitet was beide Standorte erhält, aber eben diese notwendige Umstrukturierung durchführt. Denn am 10.03. wurde bekannt, dass die Liquidität der Kliniken gefährdet ist und eine Insolvenz droht wenn nicht 10 Millionen Darlehen aufgetrieben werden (LVZ vom 14.03.2023). Ab jetzt wird es vollkommen undurchsichtig und intransparent, eine Kommunikation mit Beschäftigten und Bürger*innen findet nicht mehr statt. Keiner weiß was Phase ist. Nach Aussagen der Mitarbeiter*innen bleiben diese völlig im Dunkeln und erhalten undurchsichtige Mitarbeiter*inneninformationen.

Am 02.05.2023 wurde dann über einen Artikel in der LVZ bekannt das die Bereitstellung des Darlehens an die Umsetzung eines Konzeptes geknüpft wird, welches die Umwandlung Wurzens in ein ambulantes OP Zentrum, ohne Betten und ohne Notfallambulanz vorsieht. Kurzum Wurzen soll geschlossen werden. Jetzt habt ihr vielleicht ja noch die Karte geöffnet? Ihr seht das damit eine gesamte Region von der medizinischen Infrastruktur eines Krankenhaus mit Notfallambulanz abgeklemmt wird. Das Sanierungskonzept erscheint völlig sinnfrei, da die Menschen aus Wurzen und Umgebung nicht nach Grimma gefahren werden, da die Kliniken in Leipzig, Oschatz, Eilenburg, Torgau fast näher sind als Grimma. Kurzum wie dieses Konzept zur Stabilisierung beitragen soll ist völlig offen, ebenso offen ist das Defizit von 10 Millionen, auch dies wurde gestern nicht ordentlich erklärt. Wenn ihr euch dieses Konzept, welches ohne Beteiligung der Ärzte erstellt wurde, durchlest versteht man leider diese Entscheidung mit der Schließung nicht. Die Zahlen drücken dies nicht aus – bzw. wenn man sie liest hätte rein logisch Grimma geschlossen werden müssen. Kurzum es ist alles nicht mehr nachvollziehbar.

Der eigentliche Skandal passierte aber gestern, direkt bei der Sitzung.

In Neukieritzsch hatten sich laut Presse ca. 600 Menschen (LVZ vom 10.05.2023) versammelt um gegen die Schließung zu protestieren. Vielleicht etwa 100-150 durften in den Saal, zum Glück bin ich auch noch rein gekommen. Drinnen waren die Rollos unten, sodass die zahlreichen Menschen draußen nix sehen und hören konnten. Ich habe dann mal nach der Begründung für dieses vorgehen gefragt – keine wirkliche Antwort. Daraufhin wurden wenigstens die Rollos hoch gemacht, ob die Menschen draußen etwas gehört haben weiß ich nicht, denn die Cops bewachten die Türen.

Es stellte sich relativ schnell heraus das den Kreisrät*innen eine Tischvorlage für den Beschluss gegeben wurde. Ihr müsst euch das so vorstellen: normalerweise erhalten die Kreisrät*innen mit mind. 7 Tagen Vorlauf die Beschlussvorlagen, um sich darauf vorbereiten zu können. Um Änderungen zu beantragen oder eine Absetzung o.ä. zu veranlassen. Bei dieser hoch brisanten Entscheidung wurden also die bisherigen Beschlussvorlagen durch eine Tischvorlage ersetzt. Zusätzlich brisant ist, das auf der ursprünglichen Tagesordnung das Darlehen und das Sanierungskonzept zwei verschiedene Beschlüsse waren. Was bedeutet man hätte mit dem Darlehen die Insolvenz verhindern können und hätte die Möglichkeit gehabt das Sanierungskonzept, was die Schließung Wurzens vorsieht, zu verhindern. Warum es diese Tischvorlage gab wurde nicht erklärt.

Nach der Erläuterung das es eine neue Vorlage gibt ging es in die Bürger*innenfragestunde und eine Menge Menschen – Beschäftigte, Wurzner*innen, Unternehmer*innen, Patient*innen, Ärzt*innen – gaben Statements ab und stellten Fragen die so gut wie nie ordentlich beantwortet wurden. Mehrere Redner*innen sprachen die äußert zwielichtige Rolle des Grimmaer Oberbürger*innenmeisters Matthias Berger in dieser Thematik an. Der völlig ohne Rücksicht auf Verluste und des Wohl des Landkreises eine rigorose “Grimma First” Politik durchführt. Ihn von oben zu beobachten war abscheulich. Man sah einen breitbeinig und sehr gelangweilt da sitzenden Matthias Berger, der sich in Babo Manier mal in den Schritt fasste, mal genervt mit den Fingern auf dem Tisch trommelte, mal zum telefonieren raus ging und ständig wenn sein Name zu hören war lächelte. Eine fürchterliche Körpersprache und Sinnbild für seine Kaiserliche Arroganz die man auch an vielen anderen Stellen beobachten kann. Doch warum ist das in diesem Fall so kritisch zu bewerten, denn er ist halt ein alter weißer und frauenfeindlicher Mann – wie es viele gibt. Es ist kritisch weil er Bürger*innenmeister einer direkt von dem Beschluss profitierenden Stadt ist und gleichzeitig Kreisratsmitglied. Der Wurzner OBM Marcel Buchta konnte nichts sagen und konnte keinen Einfluss auf das ganze Geschehen nehmen, denn er ist nicht im Kreistag. Es muss also hier mal ernsthaft gefragt werden ob diese Doppelrolle mit Individualbedürfnissen der Bürger*innenmeister so ok ist und ob dadurch auch wirklich noch im Sinne des Landkreises entschieden wird? Berger hat im übrigen auch nix gesagt sondern hat Ute Kniesche vor geschickt die natürlich stellvertretend für ihn ausgebuht wurde. Er wird dann wahrscheinlich in der nächsten Sprechstunde bei Muldental TV wieder etwas von denen da oben erzählen, obwohl er hier die Chance gehabt hätte selbst etwas zu gestalten. Im übrigen haben “die da oben” in Persona Petra Köpping mitteilen lassen, dass sie von Landesebene her unterstützen können, dazu muss Wurzen aber ein Krankenhaus bleiben. Was mit dem gestern gefassten Beschluss leider nicht mehr der Fall ist. Berger hätte sich hier, aufgrund seines Amtes, auch mal für befangen erklären lassen können, aber gut Haltung haben zählt nicht zu seinen Stärken. Ute Kniesche erzählte im übrigen auch etwas von Ausgaben für die Jugendhilfe die dann gekürzt werden müssen – nun ja Sozialleistungen gegeneinander ausspielen ist hier in dem Fall nicht wirklich hilfreich und ist nicht wirklich ein Menschenfreundliches Argument.

Aber weiter! Den einzig sinnvollen Antrag brachte gestern die SPD ein. Diese beantragte den zweiten Satz der Beschlussvorlage, der da lautet: “Die Ausreichung des unverzinslichen Gesellschafterdarlehens für die Muldentalkliniken ist an das in der Anlage benannten Sanierungskonzept der Muldentalkliniken, gemeinnützige Gesellschaft mit Stand 17.04.2023 und einer weiteren Qualifizierung der Maßnahmen gebunden.” zu streichen. Die Streichung hätte die Verknüpfung von Darlehen und Sanierungskonzept aufgehoben, was im Sinne der Beschäftigten und der Wurzner Bürger*innen – die noch mal 5600 Unterschriften in 2 Tagen gesammelt haben – gewesen wär. Dieser Änderungsantrag wurde leider abgelehnt. Er fand lediglich die Zustimmung von 24 Abgeordneten der SPD, von DIE Linke, fast aller Grünen (ihr Fraktionschef hat sich glaub enthalten) und 2 von der CDU stimmten zu.

Abstimmungsverhalten zum Änderungsantrag der SPD

Die AfD hat gemeinsam mit der Mehrheit von CDU/FDP der UWV (Freie Wähler) damit den Änderungsantrag abgelehnt. Warum erwähne ich explizit die AfD? Nun mir ist gestern zum ersten mal bewusst geworden wie dieses Modell AfD funktioniert und wie genau sie es schaffen das die Menschen sie wählen. Ich war und bin darüber immer noch entsetzt und frage mich ehrlich gesagt was dies bei der nächsten Wahl in Sachsen werden soll. Die CDU/FDP und die UVW mit eben dem schon erwähnten OBM von Grimma haben die Mehrheit. Die AfD hat gestern von der Unfähigkeit eben dieser Personen in den vorgenannten Vereinigungen profitiert. Sie haben das Thema als AfD Fraktion nicht mal im Ansatz verstanden, denn sie haben eine Beschlussvorlage eingereicht die vorsah das Darlehen abzulehnen und eine eigenverantwortliche Insolvenz anzustreben – was aber bedeutet – und dies ist jetzt Inselwissen – dass das Sanierungskonzept gegriffen hätte. Ich denke dies hat sich der Intelligenz dieses Höcke Fanclubs entzogen. Kurzum die AfD hätte endlich mal was sinnvolles machen können indem sie dem Änderungsantrag der SPD zugestimmt hätte, denn damit wäre die UWV und die CDU/FDP nicht mehr in der absoluten Mehrheit gewesen. Naja aber wahrscheinlich haben sie weder die vor ihnen liegende Beschlussvorlage, noch den Änderungsantrag verstanden. Kurzum wenn diese Leute in Regierungsverantwortung kommen werden wir Erbarmungslos untergehen und Schuld daran haben unfähige Kommunalpolitiker wie die, die gestern nicht für den Änderungsantrag gestimmt haben. Wer genau seht ihr in dem Bild! Die AfD hielt dazu noch eine polemische und populistische Rede (tatsächlich rhetorisch gut vorgetragen – es redete halt nicht Naujock oder Dornau) und damit ernteten sie Applaus und sicher 2, 3 Wähler*innenstimmen aus Wurzen mehr zur nächsten Wahl.

Danach wurde dann die Beschlussvorlage mit dem Sanierungskonzept beschlossen. Dies bedeutet nun die nahezu sichere Schließung des Standortes Wurzens als vollstationäres Krankenhaus. Ob vorbereitet oder in der Nacht noch angefertigt sendete der Landrat an die Mitarbeiter*innen der Muldentalkliniken noch am selben Abend eine Hausmitteilung. In dieser heißt es: “[…] Falls möglich, sollen die Notaufnahmen an beiden Standorten erhalten werden. […] Nur gemeinsam mit allen Beschäftigten lässt sich ein stationäres Haus mit 227 Betten betreiben. Nur über ein ambulantes OP-Zentrum in Wurzen […].” Damit scheint alles klar. Die Unterschriftensammlung, die Proteste, das Angebot von Petra Köpping die Kompromissvorschläge usw. alles nur Makulatur. Die Entscheidung stand vorher fest und wurde durchgeprügelt.

DURCHGEPRÜGELT VON CDU/FDP und UWV mit Unterstützung der Dummheit einer AfD. Wenn das unsere politische Zukunft ist dann weiß ich echt nicht mehr wie wir das hinbekommen sollen. Die Parteien sind nicht in der Lage im Sinne der Bürger*innen Kompromisse und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten und die AfD ist ehrlich gesagt zu beschränkt in ihrem Denken um die Sachverhalte zu verstehen.

Für mich war gestern der dunkelste kommunalpolitische Tag den ich je erleben musste und ich frage mich ernsthaft wie wir aus dieser Lage heraus kommen wollen? Denn dies passiert nicht nur hier sondern überall. Es ist völlig unklar wie so ein Vertrauen in die parlamentarischen Strukturen aufrecht erhalten werden soll und wie es wieder aufgebaut werden kann.

Profiteure dieses Dilemmas sind die konservativen und reaktionären Kräfte von Faschisten über Nationalisten und Kapitalisten die sich in der CDU, der AfD und sonstigen Zusammenschlüssen wie den Freien Wählern zusammen tun um unsere Freiheit auf allen Ebenen zu beschneiden.

Ich kann leider nicht mit …another world is possible!!! meinen Artikel schließen da ich gerade nicht weiß wie das hier in Sachsen noch gehen soll.

Beteilige dich an der Unterhaltung

1 Kommentar

  1. Hey Pudding,
    herzlichsten Dank für diesen Beitrag! Besser hätte man es meines Erachtens nicht formulieren und zumindest etwas Licht in das krude Dunkel bringen können. Vor Allem die Schilderung über den Ablauf der Ratssitzung und Inhalten der Anträge habe ich so noch nicht anders vorfinden können. Vielen lieben Dank und mach weiter so!
    * im übrigen, vor der Tür hat man tatsächlich gar nichts mitbekommen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert